Habe begonnen, David Brins schon 1998 erschienenes Buch „The Transparent Society“ zu lesen – ein engagiertes Plädoyer für eine Gesellschaft, in der nichts verborgen bleibt und alle Akteure sich gegenseitig überwachen. Masken jeglicher Art mag der Autor gar nicht, auch keine Verschlüsselung, all dies ist für ihn negativ besetzt. Er glaubt, dass eine allgegenwärtige, nicht exklusiv einer Steuerungsinstitution zugängliche, gegenseitige Kontrolle massiv zur Verbesserung der Lebensbedingungen beiträgt, weil sie wie ein Immunsystem auf alle Fehler und Missbrauchsversuche innerhalb der Gemeinschaft reagiert und Verantwortung und Rechenschaftspflicht durchsetzt. Kreatives Anderssein ist für ihn das, was jeder Mensch will, und die jederzeit mögliche Kritik durch andere Menschen das Mittel der Wahl, unter diesen Umständen jeden Einzelnen in den Schranken sozialverträglichen Verhaltens zu halten.
Brins Buch ist eine der wichtigen Grundlagen für Christian Hellers Überlegungen, die hier schon Thema waren.
Was bei Brin auffällt, ist, dass sein durchaus faszinierendes Gesellschaftsmodell fast ausschließlich aktive, medienkompetente und einflussreiche, immer wache und auseinandersetzungsbereite Akteure kennt, die permanent ihre Position und mögliche Bedrohungen im Auge haben und in ihrer kommunikativen Internetwelt unmittelbar auf Angriffe reagieren können oder zumindest in der Lage sind, ihr Bild innerhalb der Gemeinschaft aktiv zu formen.
Das Weltbild eines aktiven Bloggers und Publizisten?
Kranke, temporär oder langfristig hilflose, in Sachen Medien weniger begabte, unterdrückte oder einfach nur schüchterne Personen, die von einer Maskierung profitieren könnten und vielleicht gerade unter dem Schutz einer Maske erst an der offenen Diskussion teilzunehmen vermögen, kommen bei ihm nicht vor – und auch kaum die Überlegung, dass Kreativität hin und wieder Zurückgezogenheit braucht, vom Spiel mit Identitäten und Rollen profitiert und andererseits durch permanente Kritik vielleicht auch einmal blockiert wird.
Zumindest nach etwa einem Drittel des Buches ist dies mein Eindruck. Mal sehen, ob dies noch zu revidieren ist, aber das Phänomen an sich war ja schon Thema in der Diskussion mit Heller. Das Konzept der transparenten Gesellschaft jedenfalls fasziniert noch immer!