Signora Maschera war ein Gentleman

Offenbar hielt sich der Missbrauch der venezianischen Gesellschaftsmaske immer in einem sozial erträglichen Rahmen, sonst hätten die Venezianer an ihr nicht festgehalten bis schließlich die Österreicher in Italien einmarschierten und die Politik und Kultur der Inselstadt grundlegend änderten. Ein kleines Rätsel ist es dabei schon, dass das Anonymisierungsmittel “Bauta” so gut funktionierte, denn eine Gelegenheit zum anonymen Handeln bedeutet immer auch eine Versuchung zu antisozialem, egoistischem Verhalten. M.E. Kabay etwa verweist in Anlehnung an die Deindividuationstheorie darauf, dass praktische Anonymität Unhöflichkeit, Unehrenhaftigkeit und aggressives Benehmen fördern kann und der Selbstreflexion entgegenwirkt (seinen Essay finden Sie unter den Quellen).

Ich habe schon erwähnt, dass einer der Gründe für die geringe, durchaus tolerierbare Missbrauchsrate der Bauta in der Tatsache begründet liegt, dass die Venezianer als Maskenträger den Regeln und Erwartungen der Gesellschaft eben nicht entgingen. Außerdem konnten, was allerdings eine extreme Maßnahme gewesen sein dürfte, im Fall der Fälle recht einfach demaskiert werden. Man sollte vielleicht aber noch etwas bedenken, wenn man sich fragt, warum die Venezianer auch als Maskenträger ihre guten Manieren behielten: Mit dem Anziehen der Bauta verließen sie ihre individuelle Existenzform und spielten stattdessen die Rolle eines idealtypischen Stadtadeligen.

Bauta - Carnevale Venezia 2011

Bild: Fotolia.com, Gloria Guglielmo
 

Die Rolle der „Signora Maschera“ war nicht nur, wie schon erwähnt, generischer Natur und vordefiniert, sondern verlangte auch, sich im Verhalten dem idealisierten Modell eines noblen Patriziers anzunähern. Hier gibt es sicherlich Parallelen zu alten Vorstellungen vom „perfekten Gentleman“ mit seinem perfekten Stil und ausgefeilten Manieren. Bei Karbe und Toscani (siehe Quellen) finden sich Hinweise darauf, dass sich venezianische Bauta-Träger bewusst höflich und ritterlich gaben und dass sie Wert darauf legten, sich in der Maske elegant zu bewegen und auch in ihrer Kommunikation mit den Mitbürgern so elegant wie möglich zu wirken.

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